Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundesumweltministerin Svenja Schulze besuchten zum ersten Mal gemeinsam als Schirmfrauen einen Demonstrationsbetrieb des F.R.A.N.Z.-Projektes, um Antworten auf die Frage zu finden, wie Artenvielfalt im Rahmen einer modernen und leistungsfähigen Landwirtschaft bewahrt und gefördert werden kann. Bei ihrem Besuch auf dem Betrieb im Havelland wurden die beiden Schirmfrauen des Projektes von Prof. Dr. Michael Otto, Stifter der Umweltstiftung Michael Otto, und Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, begleitet.
Die Frage wie Ökologie und Ökonomie zusammengebracht werden können, stand im Mittelpunkt der Diskussion der rund 50 Teilnehmer aus Politik, Landwirtschaft, Naturschutz, Wissenschaft und Presse. Vor dem Hintergrund des letzte Woche vom Kabinett beschlossenen Agrarpakets mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz zeigte der gemeinsame Besuch der beiden Ministerinnen auf dem Betrieb von Landwirt Peter Kaim, dass der Spagat zwischen dem Erhalt und Schutz der Biodiversität auf der einen und der Erntesicherung und Effizienz auf der anderen Seite gelingen kann, wenn die Naturschutzmaßnahmen praxistauglich sind und eine finanzielle Erstattung der Maßnahmen gewährleistet ist. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner machte dazu deutlich: „Wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn Ökonomie und Ökologie zusammenkommen. Und das kriegen wir nicht mit ideologischen Verhärtungen, sondern nur mit Innovation und Forschung hin.“
Peter Kaim ist einer von zehn Landwirten aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt, der zeigt, dass eine moderne, leistungsfähige Landwirtschaft mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt vereinbar ist. Auf seinem rund 780 Hektar großen Ackerbaubetrieb mit hohem Grünlandanteil setzt er verschiedene Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft um. Gemeinsam mit Wissenschaftlern und Betriebsberatern hat er auf rund acht Prozent seiner Betriebsfläche unter anderem mehrjährige Blühstreifen, Feldvogelinseln, Altgrasstreifen und Brachflächen angelegt. Bei diesen Naturschutzmaßnahmen verzichtet er auf Dünger und Pflanzenschutzmittel. Betriebsleiter Peter Kaim erklärte gemeinsam mit Betriebsberater Holger Pfeffer von der Koordinierungsstelle Brandenburg-Berlin des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege, welche Arten von diesen Maßnahmen jeweils profitieren und was bei der Anlage und Pflege der Maßnahmenflächen zu berücksichtigen ist. Der Anteil der Betriebsfläche auf der Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden spielt eine wesentliche Rolle für die Förderung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft: "Wir gehen davon aus, dass wir mindestens zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen mit solchen ökologischen Vorrangflächen in unterschiedlichen Qualitäten ausstatten müssen", stellte Betriebsberater Holger Pfeffer heraus.
Die Verbindung und der Ausgleich von Ökonomie und Ökologie ist für die Umsetzung der Maßnahmen entscheidend. Durch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Betriebsberatern und Betriebsleitern werden sowohl die naturschutzfachlichen und wirtschaftlichen Aspekte als auch die regionalen Besonderheiten bei der Anlage der Maßnahmen abgedeckt. „In diesem Jahr haben wir auf rund 58 Hektar Fläche Naturschutzmaßnahmen durchgeführt, unter anderem auch mehrjährige Blühstreifen für deren Anlage ich insbesondere plädiere. Die mehrjährigen Blühstreifen bieten eine ganzjährige Blüte für Wildbienen und Schmetterlinge und gleichzeitig bringen sie noch einen ökonomischen Nutzen durch die einmalige Beerntung der Biomasse“, erläuterte Landwirt Peter Kaim.
Vor dem Hintergrund des Rückgangs der Biodiversität machte Bundesumweltministerin Svenja Schulze deutlich: „Wir verlieren rasant Arten. Wir haben 70 Prozent der Menge der Insekten verloren. Wir haben die Hälfte aller Bienenarten auf der Roten Liste. Wenn wir jetzt nicht agieren, dann sind sie weg.“ Für Schulze sind Projekte wie F.R.A.N.Z., die modellhafte und praxistaugliche Naturschutzmaßnahmen auch mit Fokus auf den Insektenschutz entwickeln, ganz im Sinne des vom Kabinett beschlossenen Aktionsprogramms Insektenschutz. „Die Landwirtschaft muss nachhaltiger werden, damit Umwelt und Natur erhalten bleiben. Sonst verliert die Landwirtschaft ihre eigenen Grundlagen.“
Auch die enge Zusammenarbeit von Naturschutz und Landwirtschaft stand im Fokus dieses Projektbesuchs. Prof. Dr. Michael Otto verdeutlichte, dass durch den Dialog zukunftsweisende Lösungen zur Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft geschaffen werden können: „Der kooperative Ansatz ist ein entscheidender Hebel für die Übertragung der erfolgreich erprobten Naturschutzmaßnahmen auf andere landwirtschaftliche Betriebe.“ Bauernverbandspräsident Rukwied betonte, „wie wichtig es ist, die Landwirte in die Gestaltung der Naturschutzprogramme mit einzubinden und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten.“
Neben dem naturschutzfachlichen Mehrwert der angelegten Maßnahmen und der engen Zusammenarbeit zwischen naturschutzfachlicher Forschung und Landwirtschaft wurden auch die politischen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für mehr Artenvielfalt in der Agrarlandschaft diskutiert. Dazu gehören eine finanzielle Förderung für die angelegten Naturschutzmaßnahmen sowie mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Maßnahmen. Denn nur so können Planungssicherheit gewährleistet und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe nicht beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund betonte Prof. Dr. Michael Otto, dass die Gestaltung der politischen Rahmenbdingungen für mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft eine zentrale Zukunftsaufgabe ist: „Landwirte sind Unternehmer, die für eine Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen Planungssicherheit und stabile politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen brauchen. Deshalb wünsche ich mir von der Politik, dass die notwendigen Rahmenbedingungen für mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft gesetzt werden, um auch die erfolgreich erprobten F.R.A.N.Z.-Maßnahmen zu verbreiten.“
F.R.A.N.Z. hat auf allen Ebenen Signal- und Vorbildfunktion: „Das Projekt hat große Strahlkraft und ist zukunftsweisend für die Branche: Denn die Maßnahmen, die hier entwickelt und erprobt werden, sollen übertragbar sein. Dafür müssen sie sich einerseits gut in die alltäglichen betrieblichen Abläufe integrieren lassen. Andererseits dürfen sie für den Landwirt keine wirtschaftlichen Einbußen nach sich ziehen“, hob Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die große Bedeutung des F.R.A.N.Z.-Projektes hervor.