Der politisch vereinbarte Kohle- und Atomausstieg in Deutschland erfordert zwingend den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Aufgrund des großen Potenzials kommt der Windenergienutzung dabei eine bedeutende Rolle zu.
Soll ein Windpark errichtet werden, ist eine Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz erforderlich, die nur erteilt wird, wenn die Tötungsrisiken für Vögel und Fledermäuse durch die drehenden Rotoren nicht signifikant erhöht werden. Mittlerweile sind konfliktarme Flächen für Windenergieanlagen aber knapp geworden. Um den Ausbau dennoch fortsetzen zu können, sind neue und verlässliche Lösungsansätze notwendig, die negative Auswirkungen auf kollisionsgefährdete Tierarten von vornherein vermeiden. Um verbleibende Risiken weiter zu reduzieren, können einzelne Maßnahmen oder auch eine Kombination von Maßnahmen am Standort vorgesehen werden. In Frage kommen zum Beispiel Len-kungsmaßnahmen. Darunter fallen eine für Greifvögel unattraktive Gestaltung des Mastfußes sowie die Aufwertung von Brut- und Nahrungshabitaten, auf Flächen abseits der Windenergieanlagen, zur Weglockung der Vögel aus dem Gefahrenbereich. Auch zeitweise Abschaltungen der Windenergieanlagen zu Zeiten mit hohem Kollisionsrisiko können in Betracht kommen.
Die Herausforderung: Wirksame Verminderung von Vogelkollisionen
Die Maßnahmenplanung vor Ort stößt allerdings aus unterschiedlichen Gründen nicht selten an Gren-zen. So mangelt es einerseits häufig an Standorten, auf denen mit einem lediglich geringen Konfliktpotenzial mit dem Artenschutz zu rechnen ist. Denn kollisionsgefährdete Arten, wie der Rotmilan, kommen in manchen Regionen fast flächendeckend vor. Aber auch die Verfügbarkeit von geeigneten Flächen für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen, die aus naturschutzfachlicher Sicht bestimmten Anforderungen gerecht werden müssen, sind begrenzt. Zudem ist die Wirksamkeit der Maßnahmen, die zur Verminderung von Vogelkollisionen vorgesehen werden, bislang nicht abschließend untersucht worden. Deshalb bleibt unklar, ob die Maßnahmen grundsätzlich geeignet sind, signifikante Beeinträchtigungen auf Vögel wirksam zu vermeiden.
Diese Planungsunsicherheiten führen häufig dazu, dass Genehmigungen von Windenergieanlagen durch die Behörden abgelehnt oder nur unter Beauflagung mit pauschalen Abschaltzeiten erteilt werden. Stehen Windenergieanlagen jedoch häufiger still, kommt es zu Ertragseinbußen. Einzelne Standorte werden unrentabel. Mit derartigen Abschaltzeiten ist aber auch der Artenschutz nicht unbedingt auf der sicheren Seite. Denn ob Kollisionen wirklich vermindert werden können, hängt davon ab, ob die Zeitfenster, die für die Abschaltung gewählt wurden, der tatsächlichen Flugaktivität entsprechen.
In der Diskussion: Automatische Vogelerkennung
Wie kann man diesen Herausforderungen also begegnen? Eine Maßnahme, die aktuell diskutiert wird, ist der Einsatz von technischen Systemen zur automatischen Vogelerkennung. Insbesondere kamera- und radargestützte Systeme wurden für den Einsatz an Windenergieanlagen für den Vogelschutz entwickelt. Sie erkennen ein Flugobjekt, beispielsweise einen Vogel, und können dann innerhalb von Sekunden einen Befehl zur Abschaltung der Windenergieanlage abgeben. Dadurch wäre eine bedarfsgerechte Betriebsregulierung denkbar. Sie würde nur dann erfolgen, wenn sich Vögel in der Nähe der Wind-energieanlage und somit in akuter Kollisionsgefahr befinden. Entfernt sich der Vogel aus dem Risikobe-reich wird die Anlage nach einiger Zeit wieder in Betrieb genommen.
Systeme zur bedarfsgerechten Betriebsregulierung finden in Deutschland aktuell keine breite Anwen-dung. Denn bisher liegen keine ausreichenden Nachweise über deren Zuverlässigkeit bezüglich ihrer Reichweite, der Erkennungsrate sowie der Identifikation der zu berücksichtigenden Flugobjekte vor. Auch Erkenntnisse darüber, ob ihre Fähigkeiten ausreichen, um den artenschutzrechtlichen Anforderungen zu genügen, oder ob deren Defizite überwiegen, existieren bislang nicht. Zudem muss gewährleistet sein, dass sich Fehlermeldungen, die zu unnötigen Abschaltungen und damit finanziellen Einbußen für den Betreiber führen, weitgehend ausschließen lassen.
Die KNE-Fachkonferenz „Vogelschutz an Windenergienanlagen“ setzt genau hier an
Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) veranstaltet am 15. und 16. Mai 2019 eine Fachkonferenz im Kulturbahnhof Kassel, um den aktuellen Stand des Wissens zum Thema Detektionssysteme an Windenergieanlagen zu konsolidieren. Gutachter geben einen Überblick über laufende Erprobungen unterschiedlicher Kamera- und Radarsysteme in Deutschland und in den Niederlanden. Zusammen mit den Teilnehmenden wird über das Für und Wider einer Systemeinsatzes sowie über sinnvolle Anwendungsfälle diskutiert. Hersteller präsentieren ihre Systeme auf einem Marktplatz und stehen für Fragen zur Verfügung.
Alle Informationen und Anmeldung finden Sie auf der Internetseite des KNE:
https://www.naturschutz-energiewende.de
https://www.naturschutz-energiewende.de/aktuelles/veranstaltungen/kne-fachkonferenz-vogelschutz-an-windenergieanlagen/