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25.3.2019

Im Dialog - Bundesumweltministerin Svenja Schulze

Klimaschutz erweist sich immer mehr als ein Modernisierungstreiber der Volkswirtschaft und das gilt genauso für andere Umweltmaßnahmen, beim Naturschutz, beim Gewässerschutz und bei der Luftreinhaltung, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze.



Interview von Sven Stöbener


Klima-, Natur und Gewässerschutz sind Querschnittsaufgaben für Bund, Länder und Kommunen. Neben der Umweltministerin stehen auch die Fachminister des Wirtschafts-, Landwirtschafts und Verkehrsministeriums in der Verantwortung.


UMO: Frau Ministerin, Sie sind jetzt ein Jahr im Amt. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Svenja Schulze: Wir haben in den letzten zwölf Monaten wichtige Fortschritte gemacht: Wir haben den Ausstieg aus der Kohle organisiert und sind damit das erste Land, das gleichzeitig aus Kohle- und Atomstrom aussteigt. Wir haben auf der Klimakonferenz in Kattowitz ein Regelbuch für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verabschiedet. Wir haben auf EU-Ebene ein gemeinsames Vorgehen zur Reduzierung von Wegwerfprodukten aus Plastik beschlossen, auf nationaler Ebene habe ich einen Dialog zur Vermeidung von Verpackungsmüll angestoßen. Der Kampf gegen den Verlust von biologischer Vielfalt ist ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit. Hier habe ich konkrete Maßnahmen für ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ auf den Tisch gelegt, die jetzt in der Bundesregierung diskutiert werden. Mein Ziel ist, dieses Aktionsprogramm noch im Sommer fertig zu stellen. Insgesamt ziehe ich also eine positive Bilanz, auch wenn es noch viel zu tun gibt.


Der Verlust der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft ist eine der größten umweltpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, um dem Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken und was sind Ihre nächsten Schritte, um die Interessen von Gesellschaft und Umwelt mit den Interessen von Landwirtinnen und Landwirten zur Erhöhung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zusammenzubringen?


Die Landwirtschaft spielt eine zentrale Rolle beim Erreichen von Umweltzielen. Sie trägt eine besondere Verantwortung beim Schutz von Klima, Gewässern, Böden, Luft und biologischer Vielfalt. Mit den vielen staatlichen Mitteln, die in die Landwirtschaft fließen, sollten wir eine Landwirtschaft fördern, die der Umwelt nicht schadet, sondern das Überleben von Vögeln und Insekten ermöglicht und unser Klima, unsere Böden, Luft und Gewässer schont. Dafür werden vor allem in Brüssel bei den Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik die Weichen gestellt. Darüber hinaus setze ich mich ein für Regelungen, die sicherstellen, dass weniger insektenschädliche Pestizide verwendet werden. Ich will, neben dem Ausstieg aus Glyphosat, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln generell umwelt- und naturverträglicher gestalten. Mein Ziel ist, dass unsere Äcker wieder einladender werden für Insekten und Vögel. Mehr Klatschmohn und Kornblumen, weniger Monokultur, weniger Agrarsteppen.


Stichwort Klima: Die UN-Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember 2018 hat sich auf Regeln für eine praktische Umsetzung des Pariser Klimaabkommens geeinigt. Sie haben im Februar 2019 einen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vorgelegt, das für alle Sektoren verbindlich festlegt, was sie bis wann beitragen müssen. Was bedeutet das bspw. für die Sektoren Verkehr und Energie?

Für den Klimaschutz ist die gesamte Bundesregierung verantwortlich. Keiner soll sich mehr Wegducken können, das will ich mit dem Klimaschutzgesetz erreichen. Mit den Ergebnissen der Kohlekommission haben wir für den Energiebereich bereits einen großen Schritt getan. Das zeigt: Wir können Klimaschutz. Jetzt kommt es darauf an, dass wir auch im Verkehrsbereich, bei den Gebäuden und in der Landwirtschaft unsere Hausaufgaben machen. Denn hier stagnieren die Emissionen oder steigen sogar, statt zu sinken. Das Klimaschutzgesetz sorgt außerdem für mehr Verbindlichkeit im Klimaschutz. Wir haben uns ja in der Bundesregierung bereits auf Ziele für die einzelnen Sektoren geeinigt: für den Verkehr, für die Landwirtschaft, für Gebäudeemissionen. Die Einhaltung der jeweiligen Ziele sollte Aufgabe desjenigen Ministeriums sein, in dessen Geschäftsbereich ein Sektor fällt. Das Klimaschutzgesetz stellt den Rahmen für die Klimaschutzanstrengungen der Bundesregierung dar. Es ersetzt jedoch nicht die dringend erforderlichen Maßnahmen in den einzelnen Sektoren. Diese werden in den jeweils zuständigen Ministerien erarbeitet – im Verkehrs-, Landwirtschaft- und Bauministerium – und von der Bundesregierung als Ganzes verantwortet. Dafür gibt es jetzt das Klimakabinett, in dem zum ersten Mal alle für den nationalen Klimaschutz wichtigen Minister und Ministerinnen, Kanzlerin und Vizekanzler an einem Tisch sitzen und darüber beraten, wie wir unsere Klimaziele verbindlich erreichen.


Neben dem Europäischen Klimaschutzrecht gehört die Europäische Wasserrahmenrichtlinie zu einer der wichtigsten Gesetzgebungen im Umweltschutzrecht. Deutschland hat sich im Jahr 2000 verpflichtet, die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen und bis 2015, allerspätestens bis 2027, alle Gewässer in einen "guten Zustand" zu bringen. Deutschland verfehlt die gesetzten Qualitätsstandards deutlich. Laut BUND erreichen nur acht Prozent der Gewässer in Deutschland einen guten Zustand. Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, um eine gute Gewässerqualität in Deutschland zu erreichen?

Es ist richtig, dass wir mit der Umsetzung der ehrgeizigen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie noch nicht soweit sind, wie wir es gerne wären. Andererseits haben wir durchaus Fortschritte gemacht. So konnte der Anteil der Gewässer, die sich in einem unbefriedigenden oder gar schlechten ökologischen Zustand befinden, reduziert werden. Die Richtung stimmt also. Das gilt übrigens auch für den sogenannten chemischen Zustand, bei dem die Einhaltung von Umweltqualitätsnormen für über 40 prioritäre Stoffe bewertet wird. Die vielen Investitionen in die Abwasserbehandlung und Abwasservermeidung in Industrie und Kommunen zahlen sich aus. Dennoch bleibt richtig, dass wir unsere Anstrengungen verstärken müssen, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 zu erreichen. Da sind wir dran, gemeinsam mit den Ländern und Kommunen: Wir werden die Düngeverordnung anpassen, um die Nährstoffbelastung der Gewässer aus der Landwirtschaft zu reduzieren. Wir werden die ökologische Umgestaltung der Wasserstraßen des Bundes vorantreiben und mit dem Bundesprogramm Blaues Band Deutschlands Wasserstraßen wieder naturnäher machen. Wir haben einen Spurenstoffdialog initiiert, damit problematische Stoffe erst gar nicht in das Abwasser gelangen und wir arbeiten an einer Novelle des Abwasserabgabengesetzes. Und zu guter Letzt setze ich mich ein für flankierende Maßnahmen auf EU-Ebene, etwa durch eine stärkere Berücksichtigung der Gewässerschutzziele in der Gemeinsamen Agrarpolitik. Umwelt- und gewässerschonende Bewirtschaftungsformen sollten damit wesentlich stärker unterstützt werden.


Für viele Menschen sind die Regelungen und Beschlüsse auf nationaler und internationaler Ebene, wie etwa die der Wasserrahmenrichtlinie oder das Klimaabkommen, zu abstrakt und weit weg von der Lebenswirklichkeit. Wie können Sie der Bevölkerung vermitteln, welchen tiefgreifenden Einfluss diese Regelungen und Beschlüsse auf ihr persönliches Leben haben?


Wir müssen die großen Fragen herunterbrechen auf das Alltägliche, auf das Konkrete vor Ort. Für viele Menschen ist der Klimawandel nicht zuletzt durch die Trockenheit und die Starkregenfälle des letzten Jahres ganz konkret geworden. Aber das allein reicht natürlich nicht aus. Konkret wird es besonders dann, wenn man lokale Lösungen aufzeigt. Mein Ministerium hat daher im vergangenen Jahr über 12 500 kommunale Klimaschutzprojekte in ganz Deutschland gefördert. Das stärkt das Bewusstsein vor Ort. Diese Projekte inspirieren und regen zum Nachmachen an. Der Klimaschutz in den Gemeinden, Städten und Landkreisen in Deutschland ist für mich schon heute eine Erfolgsgeschichte. Es ist nicht nur ein umweltpolitischer, sondern ein handfester ökonomischer und sozialer Erfolg. Denn was ist sozialer, als die Lebensgrundlagen aller zu erhalten? Und was ist ökonomisch sinnvoller, als die Basis der Volkswirtschaften zu sichern und weiterzuentwickeln? Klimaschutz erweist sich immer mehr als ein Modernisierungstreiber der Volkswirtschaft und das gilt genauso für andere Umweltmaßnahmen, beim Naturschutz, beim Gewässerschutz und bei der Luftreinhaltung.

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